Texte zum Werk des Künstlers
 
- "Dynamisch und gelassen" - eine Einführung in das Werk des Künstlers
 
- Vernissage Marienkrankenhaus Kassel - Laudatio
 
- Jannies Garten - Gedanken zu Uwe Rehers Bildern
 
- Evangelische Bildungsstätte Haus Nordhelle - Laudatio
 
- Kreuz der Hoffnung - eine Bildmeditation
 
- Jannies Garten
 
- Momentaufnahmen
 
- Reinste Farbbotschaften. In: (k)KulturMagazin, Mai 2016
   

 

 

 

 


 

 

Dynamisch und gelassen, wuchtig und fragil …
Eine Einführung in das Werk 

„Ja, genau so ist es“, dachte ich, als ich das erste Pastell von Uwe Reher sah. Es erinnerte mich an einen Spaziergang auf der Kasseler Blumeninsel Siebenbergen, an ein rosafarben leuchtendes Sonnenhutbeet, das sich bei näherer Betrachtung in einen Rausch mannigfaltiger Farbnuancen differenzierte. Es war, als färbte die Umgebung auf die Blütenblätter ab. Als modellierten Licht und Schatten der Sonne die Formen der einzelnen Blumen, wie auch das undurchdringlich tiefe Grün der Blätter und Stiele, das sich bald auflöste in diffuse, ineinander übergehende Farbflächen hier und klare, fast abstrakte geometrische Formen, Liniengeflechte dort.

Natürlich war die Situation des Spaziergangs so nicht gewesen. Meine Beschreibung ist Ergebnis erinnernder Reflexion. Während der Betrachtung habe ich weder definiert noch in Worte gefasst, sondern bin ganz im Augenblick aufgegangen. Ich denke, es sind vergleichbare Erlebnisse, die den Künstler zu seinen Bildern inspirieren, Momente des selbstvergessenen Heraustretens aus dem Alltag.

Die Gemälde, Pastelle oder Aquarelle entstehen allerdings im Atelier, als eigenständige Kompositionen. Sie sind eher Ergebnis der Vorstellung als genauer botanischer Betrachtung. Oder, wie der Künstler plastisch erläutert: „Ich löse aus der Naturvorlage das heraus, was mich anspricht, ich denke kompositionell“.

Uwe Reher ist geübt im schnellen zeichnerischen Erfassen einer beobachteten Situation, einer Szenerie, einer Stimmung, hat er doch schon während seines Studiums der Grafik und Malerei in Hamburg als Bildjournalist für verschiedene Tageszeitungen und Zeitschriften gearbeitet. Ein ‚Notizzettel’, sei er Skizze oder Fotografie, genügt, um den Impuls für eine neue Arbeit im Atelier wieder heranzuholen, eine Kompositionsskizze zu entwerfen. Die Bildproduktion ist dann ein längerer Prozess des Malens, Betrachtens und Ruhenlassens. Und verblüffend, aber auf dem zweiten Blick nur konsequent: Der Künstler dreht das Bild auf den Kopf, um zu prüfen, ob seine Komposition stimmig ist.

„Es sind Bilder“, so sagt Uwe Reher, „die im Zusammenhang stehen mit selbst bestimmter Zeit, Bilder, die für mich mit positivem Lebensgefühl verbunden sind, wie der vom Spaziergang mitgebrachte Kieselstein“.

„Blumenmalerei“ sind deshalb die Reherschen Bilder nicht allein, geht es doch um die Beziehung, die wir aufnehmen, um das, was das Betrachtete in uns anstößt, um Gefühle also. Genauer:
um das individuelle Fühlen, Berührtsein, nicht um gängige Klischees desselben, wie wir sie von den Werbebildern der Sonnenuntergänge, Palmenstrände oder Blumenwiesen kennen.
Während in solchen Stereotypen eher das sentimental Pathetische, Gefühlsselige angesprochen wird, fordern und fördern Uwe Rehers Bilder die sensible Wahrnehmung des Beiläufigen, machen sie aufmerksam auf die vielfältigen Qualitäten des nur vermeintlich Gleichen. Ich denke, es liegt an der Darstellungsweise: Der Künstler macht uns Angebote, er definiert nicht. Wir können und sollen das Bild in unserer Vorstellung individuell erfassen.

Bei der Malerei Rehers geht es um den ‚emphatischen Blick’, wenn man das so sagen darf.
Natur an sich, so scheinen mir die Bilder zu wissen, gibt es nicht. Immer ist die Natur eine Kultur, weil wir mit ihr umgehen, sie uns aneignen. Man mag diese Botschaft politisch deuten oder auch psychologisch. Beide Ansätze wären in der Biografie Uwe Rehers nachvollziehbar, finden Parallelen im selbstverständlichen gesellschaftlichen Engagement des Künstlers oder darin, dass er, als er die wissenschaftliche Karriere einschlug, neben Kulturanthropologie als weiteres Hauptfach Psychologie studierte.

Übrigens scheint mir auch der Museumswissenschaftler Dr. Reher in bestimmter Weise in den Bildern präsent, etwa im sorgfältigen Arrangement, ja in der Inszenierung jedes einzelnen seiner Werke. Wie im Entwurfsstadium die Wahl von Farbe und Textur des Malgrundes die Stimmung im Wortsinn ‚grundiert’, so verstärken Material, Form, Farbe, und  Plastizität von Rahmen und Passepartout bestimmte Bildwirkungen oder kommentieren sie.

Ich persönlich finde jene Objekte besonders reizvoll, bei denen der Papierrand den sichtbaren Rahmen der Komposition bildet. Hier stellt der Künstler das Konstruierte, die ‚Kultur’ seiner Darstellungen, regelrecht zur Schau. Und genauso faszinierend wie die von der Bildbetrachtung angestoßene Erinnerung an ein schönes Naturerlebnis ist für mich das Eintauchen in die Komposition selbst.

Ich erfreue mich an geometrischen Formen und verfließenden Farbräumen, an bewegten Lineaturen, kräftigen Kontrasten oder subtilen Tonwertstufungen, an Perspektive und Flächigkeit. Ich genieße die Harmonien und Korrespondenzen, das Dynamische und das Gelassene, das Wuchtige und das Fragile oder das Laute und das Leise, ich spüre Nähe und Distanz. Es ist der mitreißende Schwung, der malerische Reiz der Komposition, der mich berührt und der meine Phantasie beflügelt, der die Wahrnehmung anregt und die Empfindsamkeit.

Ulla Merle
Kunsthistorikerin, Kassel